Pflege vergessen - Versorgung gefährdet: Warum Pflege in der Politik keinen Platz findet
Der stille Notruf der Pflege
Die Pflegebranche schlägt Alarm. Der Deutsche Pflegerat (DPR) warnte zuletzt, dass ohne tiefgreifende Reformen bis 2050 rund 690.000 Pflegekräfte fehlen werden (Quelle: DPR, 2024). Schon heute sind viele Stationen unterbesetzt, Wartezeiten für Pflegeplätze steigen und die Belastung für Beschäftigte erreicht neue Rekorde.
Trotz dieser dramatischen Lage bleibt die Pflege im politischen Alltag auffallend leise. Während Krankenhausreform, Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz oder Pflegekompetenzgesetz Schlagzeilen machen, werden Pflegekräfte meist nur am Rande erwähnt - als Kostenfaktor oder „Umsetzungsproblem“, nicht als gestaltende Kraft.
Wo bleibt die Pflege in den Reformen?
Die Krankenhausreform etwa, die seit 2023 diskutiert wird, soll die Finanzierung und Struktur der Kliniken neu ordnen. Pflegeverbände kritisieren jedoch, dass ihre Expertise nicht systematisch eingebunden wurde. Statt klarer Vorgaben zur Personalbemessung bleibt unklar, wie Pflegeteams tatsächlich entlastet werden sollen (Quelle: Deutsches Ärzteblatt, 2024).
Auch das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG), das 2025 verabschiedet wurde, verspricht Verbesserungen für die Versorgung. Doch laut Kritik des Deutschen Pflegerats bleibt die Rolle der Pflege schwach: „Wichtige Weichenstellungen erfolgen ohne die Stimme der Pflegenden“ (Quelle: DPR, 2025).
Beim geplanten Pflegekompetenzgesetz, das die Aufgaben von Pflegefachkräften erweitern soll, gibt es ebenfalls Bedenken. Zwar wäre eine stärkere Eigenverantwortung dringend notwendig, doch ohne klare Ausbildungs- und Anerkennungsstrukturen droht das Gesetz Symbolpolitik zu bleiben (Quelle: BibliomedPflege, 2024).
Das Muster ist klar: Pflege wird angehört, aber nicht ernsthaft beteiligt.
Die Folgen für die Versorgung
Die Konsequenzen sind bereits sichtbar:
- Fachkräftemangel: Bis 2050 fehlen fast 700.000 Pflegekräfte (Quelle: DPR, 2024).
- Versorgungsengpässe: In der Langzeitpflege entstehen Wartelisten, in Kliniken müssen Betten gesperrt werden.
- Überlastung: Mehr als 80 % der Pflegekräfte berichten von regelmäßiger Erschöpfung und gesundheitlichen Folgen der Arbeit (Quelle: Verdi, 2024).
- Klinikschließungen: Zwischen 2013 und 2023 wurden über 400 Krankenhäuser geschlossen, viele davon mit Hinweis auf „unzureichendes Personal“ (Quelle: RWI, 2024).
Pflege wird so von der tragenden Säule zur Schwachstelle des Systems.
Warum das politisch gefährlich ist
Pflege ist mit über 1,2 Millionen Beschäftigten der größte Berufsstand im Gesundheitswesen (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2024). Trotzdem fehlt eine starke Lobby. Ärzt:innen, Krankenkassen und Klinikträger haben feste Plätze an den Verhandlungstischen, die Pflege nicht.
Das führt zu einer Repräsentationslücke: Entscheidungen, die Pflegekräfte unmittelbar betreffen, werden ohne ihre Beteiligung getroffen. Das schwächt nicht nur die Berufsgruppe, sondern auch das Vertrauen in Politik und Gesundheitssystem. Schon heute denkt fast jede zweite Pflegekraft über einen Berufsausstieg nach, auch weil sie sich nicht gehört fühlt (Quelle: DBfK, 2024).
Eine Demokratie, die den größten Gesundheitsberuf strukturell ausklammert, riskiert langfristig Akzeptanzprobleme.
Was jetzt passieren muss
Die Pflege braucht mehr als warme Worte - sie braucht klare Strukturen und konkrete Verbesserungen:
- Beteiligung sichern: Pflegeverbände und Fachgesellschaften müssen systematisch in Reformprozesse eingebunden werden. Ohne Mitsprache bleibt jede Gesetzesinitiative lückenhaft.
- Strukturen stärken: Investitionen in Ausbildung und internationale Rekrutierung sind entscheidend für die Entlastung des Personals. Hier zeigt sich, wie stark digitale Lösungen wirken können. Die Oncademy Care etwa bereitet internationale Fachkräfte mit standardisierten Lehrplänen, Skills Labs und digitalen Anerkennungswegen gezielt auf den deutschen Arbeitsmarkt vor. Damit entsteht nicht nur eine Brücke für Zuwanderung, sondern auch ein Modell, wie Pflege-Ausbildung insgesamt moderner und verlässlicher gestaltet werden kann.
- Arbeitsbedingungen konkret verbessern: Attraktivität entsteht nicht durch Imagekampagnen, sondern durch Alltagserfahrungen. Dazu gehören verbindliche Personalbemessungen, die Überlastung verhindern, flexible Arbeitszeitmodelle, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen, und digitale Systeme, die Pflegekräfte von Dokumentationspflichten entlasten. Auch Karrierepfade - etwa durch erweiterte Kompetenzen, Fachspezialisierungen und Leitungsfunktionen - sind zentral, damit Pflege nicht als Sackgasse, sondern als Entwicklungschance wahrgenommen wird.
Wer Pflege ignoriert, gefährdet uns alle
Pflege ist kein Randthema, sondern ein Kernbereich der Daseinsvorsorge. Doch solange ihre Stimme in der Politik übergangen wird, drohen Versorgungslücken, Klinikschließungen und eine Abwärtsspirale der Motivation.
Die zentrale Botschaft lautet: Solange Pflegekräfte in politischen Entscheidungsprozessen übersehen werden, ist nicht nur ihre berufliche Zukunft in Gefahr, sondern unsere Versorgung insgesamt.
↳ Link zum LinkedIn-Beitrag